Dienstag, 14. Januar 2014

Kurzbesuch in Costa Rica, das Heimatdorf meines Gastvaters (Pueblo Nuevo, Chitra)

Costa Rica

Wie bereits im letzten Posting angekündigt, war ich kurz vor Jahresende noch auf Tagestour in Costa Rica. Eine Tour zum westlichen Nachbarn Panamas hatte ich bereits mehrfach als Ausblick am Ende einiger Blog-Einträge erwähnt. Daraus wurde jedoch bisher noch nichts. Ob noch etwas draus wird, wie zum Beispiel eine zuletzt diskutierte Männer-Tour mit meinem Gastvater, seinem Neffen Quiquito und dem "Gringo" Mario, ist nach wie vor ungewiss.

Ein typisches Foto bei der Fahrt durch Chiriquí:
 Felder soweit das Auge reicht, Berge im Hintergrund
Umso mehr habe ich mich darüber gefreut, als ich an einem Freitagmorgen in der für mich arbeitsbefreiten Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr, an dem ich lieber noch etwas länger geschlafen hätte, mich mein Gastvater weckt:
"Ponga Zapatos. ¡Vamos pa' Costa Rica!"



Ok, da bin ich doch gerne dabei. Da kann ich auch gleich mein Visum erneuern, dass mir durch den Stempel vom 16.09.13 das Nutzen meines Führerscheines seit dem 16.12. untersagt, obwohl meine Aufenthaltsgenehmigung (Vísa Turística) uneingeschränkt weiter gültig ist.

Über die Interamericana, die von Alaska bis Panama-Stadt und ab Kolumbien dann weiter bis nach Chile, fast ganz Amerika verbindet, verlassen wir Veraguas in Richtung Chiriquí. Die Tour durch die landwirtschaftlich geprägte Provinz macht mit 160 von insgesamt etwa 250 Kilometern den Großteil unserer Tour aus.

Ich bekomme einen ersten Eindruck von der Provinz, die den Großteil der landwirtschaftlichen Erzeugnisse Panamas erbringt. Aufgrund der durchgehend mit 500m ü. NN hohen Lage sind die Temperaturen weitaus angenehmer als im stets warmen Santiago.

Im Plateu von Chorcha lässt sich direkt von der Interamericana aus der "Chorro de la Meseta Chorcha" beobachten. Welche Fallhöhe der Wasserfall besitzt, konnte ich leider nicht herausfinden. Es sollte jedoch mehr sein als beim "Salto de Las Palmas".

El Chorro de la Meseta Chorcha


Neben der Landwirtschaft ist vermehrt auch der Tourismus für Chiriqui von Bedeutung. So liegt das touristisch überaus beliebte Bajo Boquete, das seine Besucher mit durchgehend angenehmen 20°C anlockt und mittlerweile international kein Geheimtipp mehr ist. Noch bis zum 19.Januar findet dort die "Feria de las flores y del Café" statt. "Ferias" finden jetzt im Sommer im ganzen Land statt. Eine Feria ist wie eine Mischung aus Expo und Feier. Gerade die "Feria de Boqute" zieht besonders viele junge Menschen an und wird daher gerne mit "Mardi Gras" in den Vereinigten Staaaten verglichen. Am kommenden Wochenende mache ich mich mit 4 Freunden dorthin auf den Weg. Drei Tage Feiern - in Boquete findet das Festival des Landes statt.

Aber nun weiter auf der Interamericana in Richtung Grenze. Diese Straße fasziniert mich - eines Tages will ich sie mal komplett abfahren, wenn ich dann nicht in Santiago hängen bleibe.

Etwa 20km nach Dávid, der letzten großen Stadt vor Costa Rica, liegt der Grenzübergang "Paso Canoas".

Willkommen in Costa Rica

Wo ich mit Grenzkontrollen oder zumindest einer Sichtkontrolle durch wachsame Grenzbeamte gerechnet habe, werde ich enttäuscht. Zwischen fliegenden Händlern in schmalen Gassen, irgendwo dort liegt die Grenze. "Paso Canoas" ist in Panama und Costa Rica. Die Stadt ist geteilt. Dank der, zumindest für Fußgänger, nicht vorhandenen Grenze aber eben nicht gespalten. Die Geschäfte akzeptieren Panamas "Balboa" (bzw. den US-Dollar) genauso wie den "Colón" (₡500 ist etwa $1).

Linke Straßenseite Panama, rechts Costa Rica
Wie häufig in Grenzgebieten, werden vor allem Kosmetikartikel feil geboten. Außerdem sind Lebensmittel in großen Mengen günstig zu erstehen. Zubereitetes Essen schlägt jedoch mit weitaus höheren Preisen zu buche. Nach einer halbstündigen Suche mit meinen Gasteltern geben wir uns letztlich zufrieden mit einem Teller des trditionellen "Casado" für 7 Dollar (!). Aufgrund dieser Freizeitpark-Preise teilen wir uns dann auch die obligatorische Soda (wie in Lateinamerika alle Limonaden genannt werden).

$7 für einen Teller Essen - Wilkommen in Costa Rica
Panama-Preis: Maximal $3.50

Das dargereichte "Casado" (spanisch für "verheiratet"), Rindfleisch ("Carne") mit Salat, Reis und schwarzen (in Panama meist braunen) Bohnen ("Frijoles Negros") schmeckt, auch wenn mein Gastvater bestreitet, dass es sich um original "Casado" handelt.

Um zu erkennen, ob man sich bereits in Costa Rica befindet, reicht ein Blick auf die Straße. Die Taxen haben nämlich hier eine andere Farbe:
Ein Taxi in Costa Rica: rot
Im Anschluss an das Essen verbringe ich mit meinen Gasteltern - mein Gastbruder ist allein auf Shoppingtour - noch eine gefühlte Stunde in einem kleinen Lebensmitelladen. Beute: Eine Vorratsmenge einer besonderen Seife, etwas Kaffee. Dann noch schnell einen der vielen Parfum-Läden besucht und zurück nach Panama.

An der Grenzübergangsstelle versuche ich dann das Land formell zu verlassen, um anschließend wieder einzureisen. "Neues Visa -> 3 Monate mehr für meinen Führerschein" ist die Logik. Zum Glück drängelt sich mein Gastvater zu einem Grenzbeamten vor und erfährt rechtzeitig, dass unser Plan nicht funktionieren wird. Denn einmal ausgereist, hätte ich erst am Folgetag wieder einreisen können nach Panama.

Willkommen zurück ;-)


So muss ich halt auf meinen Führerschein verzichten - es sei denn, ich finde nochmal den Weg nach Costa Rica für mehr als einen Tag. Einen panamenischen Führerschein zu beantragen ist unnötig zeitaufwändig und außerdem zu teuer.

Zurück im Lande bleiben wir noch eine Weile in Grenznähe, verbringen geschätzte zwei Stunden in der "Jerusalem Mall", einer von vielen Einkaufszentren auf der Panama-Seite in Grenznähe. Geführt werden unzählige hochpreisige Bekleidungsmarken von Lacoste über Tommy Hilfiger bis Columbia, sowie die günstigere Varianten - streng von einander in Marken- und No-Name-Bereich getrennt.

Meine Gasteltern sind zusammen mit meinem Gastbruder auf der Suche nach einem Geschenk für ein dreijähriges Familienmitglied. Sollte nicht so schwer sein, bei einer riesigen Auswahl an Kinderbekleidung, dachte ich. Fündig wird man nicht. Aber das ist halb so schlimm: Es gibt ja noch eine Mall, etwas weiter von der Grenze entfernt.

Ich bin mittlerweile schon recht erschöpft und habe eigentlich keine Lust mehr auf Shopping - ich hatte bisher ohnehin nichts gefunden. Da ich jedoch dachte, wir würden etwas essen in besagter Mall, blieb ich nicht im Auto zurück. Leider besitzt die Mall in der Nähe der Stadt David keine Essensmöglichkeit - zumindest nicht der Teil, den wir besuchten. Dafür gab es noch mehr Kinderbekleidung - eine ganze Etage, so groß wie ein halbes Fußballfeld. Euphorie, Euphorie! Wir werden nach einiger Zeit fündig - es geht zurück nach Hause. Ich werde wohl nie ein Fan von Mall-Besuchen.

Der Jahreswechsel hat auch für mich  schon einige Neuerungen gebracht

"¡Vamos pa' Chitra!"



Diesen Ausspruch, auf Deutsch etwa: "Auf nach Chitra!" hört man als Freund von meinem Gastvater relativ häufig. Ich war auch schon viermal dort. Beim ersten Mal jedoch, ohne genau zu wissen, wie der Ort heißt. Meinen daher etwas unbedarften Artikel darüber aus meinen ersten Tagen in Panama findet man hier.

In den letzten 2 Wochen war ich gleich zweimal dort. Einmal am 28.12. mit meinem Gastvater und später noch einmal im neuen Jahr mit der gesamten Gastfamilie. Ich beschreibe hier einfach mal den Besuch vom Dezember zusammen mit meinem Gastvater.

Chitra, das ist diese kleine Stadt im Norden der Provinz. Mit zur Stadt gehört der bekannte Ort "La Yeguada" ("Die Stute"), vor allem bekannt durch das Naturschutzgebiet "Reserva Forestal La Yeguada", rund um den Yeguada-See und einen gleichnamigen Vulkan. Man ist sich nicht sicher, was für ein Vulkan hier vor etwa 300-400 Jahren aktiv war. Je nach Sprachversion (lediglich auf Englisch existiert ein Artikel mit mehr als 5 Sätzen) spricht Wikipedia von einem Schichtvulkan oder aber auch von einem "Caldera", einem Kesselvulkan, dessen Magmakammern demnach unterhalb des Sees liegen müssten.
Lago "La Yeguada"
Die gesamte Faht durch den Ort "La Yeguada" begleitet eine großes Rohr: 
Dieses befördert Wasser aus den Bergen / vom See in den Ort,
 wo dessen Energie in einem Wasserkraftwerk Strom umgewandelt wird

Man weiß nicht viel über den Vulkan von "La Yeguada" bzw. "Chitra-Calobre", wie der Ort häufig genannt wird. Das mag daran liegen, dass das Gebiet vom nächsten Ort aus bis vor einiger Zeit noch nur über etwas zu erreichen war, das man kaum als Straße bezeichnen konnte. Das ist jetzt aber anders: eine 1A-Serpentinen-Straße führt nicht nur zum See, der für nur $5 zum Campen (verwaltet durch die anam) einlädt, sondern weiter zu dem Ort, über den ich hier eigentlich schrieben will: Pueblo Nuevo.

Von "La Yeguada" bis "Pueblo Nuevo" (neues Dorf) sind es noch einmal etwa 30 Minuten bzw. 16 Kilometer. Dann sind wir angekommen, in dem Heimatdorf meines Gastvaters. Wie abgehängt dieses Dorf vor der Fertigstellung der neuen Straße durch Präsidenten Ricardo Martinelli gewesen sein muss, zeigt nicht nur die Angabe meines Gastvaters, das Dorf früher von Santiago aus in nicht unter 4 Stunden im Geländewagen (jetzt sind es 1,5h im Kombi) erreicht zu haben. Außerdem führt Google Maps das Dorf schlichtweg nicht. Es ist dort unauffindbar. Detailgenaue Satellitenbilder hören kurz hinter "La Yeguada" auch bei Bing-Maps auf, das aber immerhin die Straßendaten führt, was einen kleinen Überblick über das Dorf erlaubt:


Das Dorf ist im Prinzip ein Rundkurs. Kommt man im Süden an, so hat man die Wahl: Links- oder rechtsherum? Ankommen wird man in 5 Minuten ohnehin wieder am Ausgangspunkt. Das macht den Ort gerade so interessant: seine Übersichtlichkeit. Die wenigen Familien, die hier ihren Ursprung haben, haben jedoch weit über die Berge ihre Spuren hinterlassen. Ein Großteil der Familie meines Gastvaters Abraham lebt in Santiago, Kinder von ihm in Panama-Stadt, den USA und der ganzen Welt. Seine Wurzeln hat er aber weiterhin in Pueblo Nuevo, und kehrt dahin regelmäßig zurück. Seine Wurzeln nicht vergessen, denn sie machen die eigene Identität aus - das ist für die Panameños essenziell. Mein Gastvater ist als Poet regional bekannt. Sein aktuelles Buch, eine Gedichtsammlung, trägt den Namen "Río Palenque", benannt nach dem Fluss seiner Kindheit.

der kristallklare Río Palenque

Im Río Palenque (auf der Karte südlich des Ortes zu erkennen) habe ich beim zweiten Besuch dann auch eine Runde gebadet. Hier im Norden ist das Wasser auch bei relativ kleinen Flüssen kristallklar. Anders als in Stadtnähe, wo sich die kleineren Flüsse meist, dank Abwässern, trüb und stinkend ihren Weg suchen.
Hat mir viel von Panama gezeigt:
Mein Gastvater Abraham in seiner Heimatregion


Mein Gastvater besitzt noch das Haus im Dorf, in dem er seine älteren Kinder großzog. Seine Tochter Jenny hat sich hier für ihre Familie eine "Cabaña", ein einfaches Ferienhaus gebaut. In exponierter Lage auf einem Hügel, ist es bereits von weitem als Punkt in der Landschaft zu erkennen.
Suchbild: Wer findet das Haus mit dem hellblauen Dach?
Im Hintergurnd: Der Berg "Cerro San Antonio"
Etwas Land von Abraham, das ich beim ersten Besuch in der Gegend auch schon besuchte, hat er mir bereits für einen Vorzugspreis angeboten, falls ich meinen Lebensmittelpunkt nach Panama verlegen sollte. Aber habe keine Angst, lieber Leser: Ich komme zurück nach Deutschland, zumindest vorerst. Verlassen will ich dieses Land noch lange nicht, habe keine zwei Monate mehr hier und weiß schon jetzt: Ich werde zurückkehren. Die knapp 6 Monate, die auf mich anfangs wie eine halbe Ewigkeit wirkten, scheinen mir jetzt nur so davon zu laufen. Dabei habe ich doch noch so viel vor in Panama, aber dazu später mehr.

Jetzt geht es erstmal zur Einweihungsfeier des bereits erwähnten Ferienhauses. Einer der Besitzer erwartet uns bereits vor dem neu errichteten Domizil.


zu recht stolz auf sein Werk: Abrahams Schwiegersohn

Gemeinsames Essen auf der Veranda...

...mit traumhaftem Ausblick



Dann verlassen wir die Feiergesellschaft kurz, um einmal um das Dorf herumzufahren. Dabei besuchen wir das Haus von Quique, den Vater von Abrahams Neffen Quiquito. Er ist zwar gerade nicht da, sein kleiner Tante-Emma-Laden hat aber geöffnet und bildet eine Art Treffpunkt im Dorf.

Dann besuchen wir noch kurz das alte Haus von Abraham. Beim Besuch im Januar haben wir dann den auf dem Bild sichtbaren Abwassertank, in dem sich Sedimente des "Grauwassers" setzen sollen, von ein paar Jungs aus dem Dorf eingraben lassen. Während des Aushebens des Lochs schreit dann einer auf einmal auf:

"Ich habe Gold gefunden! Endlich ein Ausweg aus dieser elenden Armut!"
Abraham vor seinem Haus in Pueblo Nuevo
Das Gelächter ist groß. Humor haben sie, die Chitrer. In Dörfern wie Pueblo Nuevo muss niemand hungern, im Notfall hilft der Staat mit sogenannten "subsidios" gegen Gegenleistung. Mehr dazu in einem späteren Blog-Eintrag. Alternativ bleibt immer noch der Weg in die Stadt, was natürlich mit dem Verlassen des Heimatdorfes verbunden ist. Pueblo Nuevo macht nicht den Eindruck, auszubluten. Hoffentlich trägt die neue Teer-Straße zum Erhalt des Dorfes bei.



Ebenfalls beim Besuch im Januar kann ich außerdem helfen, die Fernseh-Antenne eines Nachbarn so ausrichten, dass zumindest Kanal 2, TVN NOTICIAS, über den Bildschirm schneit. Man ist halt weit weg vom Funkmast in Santiago, der seine etwa 15 analogen Programme verteilt.

Dann verlassen wir den Ort in Richtung Süden - an beiden beschriebenen Besuchstagen wird es dabei bereits Dunkel. Ich schlafe im Auto, um mich abends mit Freunden zu treffen.


was sonst noch geschah

Das neue Jahr bedeutet für mich auch eine neue Freiwilligenarbeit: Seit dem 7.Januar arbeite ich beim MIDES, dem Ministerio de Desarollo Social, Sozialministerium. In den wenigen Tagen dort bin ich auch schon ordentlich herumgekommen. Unter anderem habe dadurch ich den Sozialminister persönlich kennen gelernt und am größten Trachtenfest Panamas teilgenommen. Mehr dazu aber in einem gesonderten Eintrag im laufe der Woche.

Buenos saludos,

Arne

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